Vor dem Sozialgericht Koblenz ist es gelungen, für eine Apothekermandantin den ihr rechtlich zustehenden Vergütungsanspruch gegen die Ersatzkasse eines Patienten nach einer Null-Retaxierung durchzusetzen (SG Koblenz, Urteil vom 16.05.2019 - S 11 KR 437/18).
Hintergrund war die Verordnung eines Import-Arzneimittels unter Angabe des Handelsnamens und der zugehörigen PZN. Ferner setzte die verschreibende Ärztin das aut-idem-Kreuz und gab so zu verstehen, dass genau das auf dem Rezept angegebene Arzneimittel abzugeben ist.
Nachdem die Ersatzkasse den Vergütungsanspruch nach erfolgter Prüfung auf null retaxierte und sich auf die im Arzneiversorgungsvertrag (AVV), der zwischen dem Verband der Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband geschlossen worden ist, enthaltene Regelung berief, beschritt die Apothekerin gegen die betreffende Ersatzkasse den Weg vor das Sozialgericht Koblenz.
Bereits in der Vergangenheit äußerte sich die 13. Kammer des SG Koblenz in einem Urteil kritisch zum angeblichen Vorrang der Rabattverträge bei einer aut-idem-Verordnung, was dazu führte, dass eine neue Regelung in den AVV aufgenommen wurde: In § 4 Abs. 12 AVV heißt es:
„Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und / oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des Aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Arzt vermerkt hat, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch erfolgen darf.“.
Die Ersatzkasse berief sich mit der Klausel insbesondere darauf, dass es sich vorliegend um einen Re-Import gehandelt habe und es sich bei dem Rabattarzneimittel und dem Re-Import um identische Arzneimittel gehandelt habe, mithin „arzneimittelrechtlich keine Substitution“ vorliege.
Als Hauptargument wurde für die Klägerin eingewandt, dass man vorliegend gar nicht zu einer Prüfung der Identität komme, da die Regelung, die die Prüfung im Hinblick auf den Rabattvertrag auslösen würde (§ 4 Abs. 12 Satz 2 AVV), rechtlich betrachtet keinen Bestand haben kann; denn der Arzt hat die Therapiehoheit, die ein hohes Gut darstellt. Der Apotheker hat sich grundsätzlich an die therapeutische Entscheidung des Arztes zu halten, insbesondere dann, wenn rein wirtschaftliche Gründe der Ersatzkasse einen Austausch entgegen des Austauschverbotes rechtfertigen sollen.
In einem Vertrag, an dem der verordnende Arzt bzw. dessen berufsständische Vertreter nicht beteiligt waren, kann eine solche Regelung nicht wirksam vereinbart werden. Wenn die Ersatzkassen auf das Verschreibeverhalten der Ärzte einwirken wollten, so hätten sie dies im Rahmen von Gesamtverträgen angehen müssen, an denen auch die Vertreter der Ärzteschaft zu beteiligen sind.
Dieser Argumentation ist die 11. Kammer des SG Koblenz letztlich gefolgt, nachdem in der Verhandlung ein sehr intensives Rechtsgespräch geführt worden ist und zahlreiche weitere Argumente ausgetauscht worden sind. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die betreffende Ersatzkasse hat Berufung eingelegt, da diese Entscheidung für alle Ersatzkassen – aber auch die deutsche Apothekerschaft – von ganz grundsätzlicher Bedeutung ist.