Wir hatten bereits berichtet: Der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers verfällt nach EuGH und Bundesarbeitsgericht nur noch, wenn der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, auf den drohenden Verfall rechtzeitig hingewiesen zu haben. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte nun den Fall eines Apothekenbotenfahrers zu entscheiden (Az. 4 Sa 242/18). Die Initiativlast zum Hinweis des drohenden Urlaubsverfalls ist nicht nur auf das jeweilige Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich vielmehr auch auf den Urlaub aus den vergangenen Kalenderjahren, so die Kölner Richter.
Dem Urteil des LAG lag folgender Fall zugrunde. In den Jahren 2012 bis 2017 arbeitete der Kläger als Botenfahrer in der Apotheke des Beklagten. Das Arbeitsverhältnis bestand indes bereits bei dem vorherigen und vorvorherigen Apothekeninhaber. Die Parteien hatten eine arbeitsvertragliche Vereinbarung darüber getroffen, dass statt der Urlaubstagebeanspruchung, eine Verkürzung der eigentlichen wöchentlichen Arbeitszeit erfolgen sollte („Der/ die Mitarbeiter/in erhält einen Jahresurlaub. Ausnahme: Auf Wunsch des Mitarbeiters, Arbeitszeitverkürzung“ und ebenso „Auf eigenen Wunsch nimmt Herr S seinen Jahresurlaub in Form von wöchentlicher Arbeitszeitverkürzung. Er arbeitet statt der bezahlten 30 Wochenstunden 27,5 Wochenstunden.“)
Statt der eigentlich vereinbarten 30 Wochenstunden arbeitete der Kläger sodann lediglich 27,5 Wochenstunden. Der Botenfahrer beanspruchte außerdem neben der vereinbarten Zeitverkürzung keinen Urlaub während des bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Als das Arbeitsverhältnis dann beendet wurde, forderte der Botenfahrer gegenüber dem Apothekeninhaber Urlaubsabgeltung im Rahmen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs für die Jahre 2014, 2015 und 2016, dies gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).
Das LAG Köln entschied nun in zweiter Instanz, dass die individualrechtliche Arbeitszeitverkürzung den originären Urlaubsanspruch unberührt ließ. Die Richter führten aus, dass die Arbeitszeitverkürzung keinen Erholungsurlaub im Sinne des BUrlG darstelle. Weder durch einzelne Stundengewährung, noch etwa durch halbe Tage, könne der Erholungszweck von Urlaub gemäß BUrlG erreicht werden.
Gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch in Höhe von jährlich vier Wochen dem Grundsatz nach mit Ablauf des 31.12. eines Jahres. Nur im Ausnahmefall, wenn der Urlaub vonseiten des Arbeitnehmers aufgrund dringender betrieblicher oder in seiner Person liegender Gründe nicht beansprucht werden konnte, verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres, § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG.
Nach Auffassung des LAG Köln gilt die Verfallregelung gem. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG jedoch nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber sei in der Pflicht, den Arbeitnehmer klar und rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass der Urlaub bei Nichtbeanspruchung mit Ablauf des Kalenderjahres, spätestens aber mit Ablauf des Übertragungszeitraumes zum 31.03. verfallen werde. Das LAG führt weiterhin aus, dass dieser Hinweispflicht auch für vergangene Jahre nachzukommen sei. Wie im zu entscheidenden Fall, verfalle der Urlaub ansonsten nicht. Hiermit schließt sich das LAG den Vorgaben des EuGH in der Entscheidung vom 06.11.2018 an (Az.: C-684/16).
Klarstellend führt das LAG aus, dass die Grundsätze des krankheitsbedingten Urlaubsverfalls aufgrund Langzeiterkrankung nach 15 Monaten darüber hinaus keine Anwendung finden könnten. Anders als bei Langzeiterkrankten genieße der Arbeitgeber ansonsten keinen Schutz, da er von der permanenten Anwesenheit der Arbeitnehmer profitiere.
Für die Praxis bleiben nun einige Fragen. Die Kölner Richter lassen letztlich offen, wie eine „konkrete“ und vor allem „rechtzeitige“ Hinweispflicht zu erfüllen ist. Ungeklärt bleibt, ob beispielsweise ein E-Mail-Rundschreiben an die Belegschaft ausreichend ist.
Sicherer ist es wohl, unter Bestätigung des Empfangs, zur individuellen Urlaubsbeanspruchung aufzufordern und auf den drohenden Verfall hinzuweisen.
Auch dürfte von Rechtzeitigkeit zu sprechen sein, wenn der vorbezeichnete Hinweis zu Beginn des vierten Quartals erfolgt.
Die Rechtsprechung wird zukünftig zeigen, welche Umsetzungen die aufgestellten Ansichten erfüllen. Der Fall des Botenfahrers ist jedoch abschließend geklärt: Die Revision wurde nicht zugelassen.