Erbschaft-/Schenkungsteuer: Klippen beim Nießbrauch im Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht

Die Übertragung von Vermögenswerten, insbesondere von bebauten Grundstücken, erfolgt häufig unter Zurückbehaltung von Nießbrauchsrechten. In der Praxis wird die Schenkung von Grundstücken auch mit einem Nießbrauchsrecht an eine weitere Person (z. B. Ehegatten) verbunden. Diese Gestaltungen haben im Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht vielfältige Steuerauswirkungen zur Folge.

Wird ein Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt unentgeltlich übertragen, muss zunächst der Wert des Grundstücks nach den üblichen Regeln ermittelt werden. Anschließend wird der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs als Verbindlichkeit abgezogen. Dabei wird für den Nießbrauch zunächst der Jahreswert des Nettoertrags festgestellt und dann mit der voraussichtlichen Lebensdauer des Berechtigten nach der amtlichen Sterbetafel kapitalisiert. Dieser Wert beträgt z. B. bei Übertragung an einen 60-jährigen Mann ab dem 1. Januar 2021 das 12,858-fache, bei einer Frau das 13,884-fache des Jahreswertes. Nur die Differenz zwischen Grundstückswert und Abzug des Kapitalwertes unterliegt der Schenkungsteuer. Sind mehrere Personen nacheinander Nießbrauchsberechtigte, ist das Alter des Längstlebenden für die Berechnung des Kapitalwertes anzusetzen.

 

Was geschieht nun im Falle des Versterbens des Nießbrauchers? Der Wegfall des Nießbrauchs ändert an der ursprünglichen Schenkungsteuerberechnung nichts. Entsteht durch den Tod des Nießbrauchers aber ein Anspruch z. B. des überlebenden Ehegatten, dann liegt ein neuer Erbfall vor, der mit dem in diesem Zeitpunkt neu zu berechnenden Kapitalwert der Erbschaftsteuer unterliegt. Bei einer dann z. B. 70-jährigen Frau beträgt der Faktor immer noch 11,171.

 

Welche Steuerfolge tritt jedoch ein, wenn der ursprüngliche Schenker auf seinen Nießbrauch verzichtet? In diesem Fall liegt eine weitere Schenkung des früheren Grundstückseigentümers an den Nießbrauchsverpflichteten vor. Die Bewertung dieser Schenkung erfolgt mit dem Kapitalwert im Zeitpunkt des Verzichts. Die gleiche Rechtslage wie beim Verzicht des ursprünglichen Grundstückseigentümers und Schenkers auf den Nießbrauch tritt ein, wenn z. B. der überlebende Ehegatte auf den Nießbrauch verzichtet. Dies könnte in der Praxis deshalb erfolgen, weil der/die Beschenkte das Grundstück günstig veräußern kann.

 

Die hier geschilderten Rechtsfolgen zeigen, dass bei der Schenkung unter Zurückbehalt des Nießbrauchs Klippen auftauchen, mit denen im Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsabschlusses keiner der Beteiligten gerechnet hat. Die ursprüngliche Schenkung kann längst vergessen sein, wenn u. U. nach Jahrzehnten ein steuerpflichtiger Nießbrauch für einen Ehepartner anfällt.